Die Bundestagsabgeordnete Gülistan Yüksel bei ihrer Plenarrede am 30.11.2023
Plenarrede zum Rückführungsverbesserungsgesetz vom 30.11.2023
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Die Bundestagsabgeordnete Gülistan Yüksel bei einer Plenarrede.
Plenarrede vom 14.12.2023
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Plenarrede zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts vom 30.11.2023

Die Bundestagsabgeordnete Gülistan Yüksel bei ihrer Plenarrede zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts am 30.11.2023.

Die Bundestagsabgeordnete Gülistan Yüksel bei ihrer Plenarrede zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts am 30.11.2023.

Gülistan Yüksel (SPD): 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich mit acht Jahren als Tochter eines Gastarbeiters nach Deutschland kam, verstand ich kein Wort Deutsch. Aber eines spürte ich als Kind sofort: Hier bin ich willkommen! Als ich älter wurde, änderte sich plötzlich etwas. Obwohl Deutschland längst zu meiner Heimat geworden war, merkte ich, dass ich offiziell gar nicht dazugehören sollte. Bei Wahlen und sogar bei Bürgerentscheiden durfte ich nicht mitentscheiden. Ohne deutschen Pass war ich einfach ausgeschlossen. 

(Dr. Götz Frömming (AfD): Jetzt sind Sie im Bundestag!)

Meine Geschichte ist kein Einzelfall. Mehr als 10 Millionen Menschen leben in Deutschland ohne den deutschen Pass, und etwa die Hälfte von ihnen sogar seit mindestens zehn Jahren. 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Die Frage ist doch: Warum?)

Genau da setzt unsere Reform zum Staatsangehörigkeitsrecht an. Wir wollen Menschen, die hier leben, arbeiten und längst diese Sprache sprechen, politische Teilhabe ermöglichen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP))

Dazu gehört auch die Mehrstaatigkeit für alle. Das heißt – Sie können weiter mit dem Kopf schütteln -: Künftig wird man bei der Einbürgerung nicht mehr gezwungen, 

(Detlef Seif (CDU/CSU): Sie bringen fremde Konflikte in unser Land!)

den bisherigen Pass und damit einen Teil seiner Identität aufzugeben. 

(Zuruf des Abg. Kay Gottschalk (AfD))

Diese Mehrstaatigkeit ist für viele Menschen in Deutschland schon heute der Normalfall. Aber sie gilt eben nicht für alle hier lebenden Menschen, und das wollen wir ändern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP))

Mit dieser Ungleichbehandlung machen wir daher endlich Schluss. Wenn die Einbürgerungskriterien erfüllt sind, sollen alle die gleichen Rechte haben, und das unabhängig vom Herkunftsland. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist das anfangs beschriebene Willkommensgefühl, das Voraussetzung für die so oft geforderte Loyalität ist; der Begriff ist auch heute schon mehrmals gefallen. Man kann Loyalität nicht damit erreichen, dass man Menschen zwingt, einen Teil ihrer Identität aufzugeben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP) – Lamya Kaddor (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Die Staatsbürgerschaft selbst ist der beste Loyalitätsbeweis. Sie macht Menschen zu einem gleichberechtigten Teil unseres Landes – mit allen Rechten und Pflichten. 

Ich selbst bin mit Mitte 30 eingebürgert worden 

(Jens Spahn (CDU/CSU): Es ging ja anscheinend!)

und durfte dann endlich wählen und mitentscheiden – in dem Land, in dem ich bereits seit 28 Jahren gelebt, gearbeitet und mich ehrenamtlich engagiert habe. Ich muss ehrlich sagen: Nach den Debatten, die ich heute mitbekommen habe, bin ich wirklich dankbar und froh, dass ich das damals nicht mitbekommen habe; denn ich weiß nicht, wo ich heute sonst gestanden hätte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns deshalb bei den anstehenden Debatten nicht vergessen: Die Menschen, deren Einbürgerung wir neu regeln wollen, leben teilweise schon lange hier. Es sind unsere Nachbarn. Es sind unsere Kolleginnen und Kollegen. Es sind unsere Freunde. Zeigen wir ihnen, dass sie hier in unserem Land gleichermaßen willkommen sind und mit gleichen Rechten und Pflichten Teil unserer Gesellschaft sind. 

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)