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Konjunkturmaßnahmen sozial und ökologisch ausrichten!

Positionen der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion zu Corona-Konjunkturmaßnahmen

Die Corona-Pandemie bedroht nicht nur unsere Gesundheit, sie ist auch eine Bedrohung für unser Zusammenleben und unseren Wohlstand. Die Pandemie lähmt die gesamte Weltwirtschaft und stürzt sie in eine Krise unbekannten Ausmaßes. Unzählige Menschen und Unternehmen sind existenziell in Gefahr, selbst die Zukunft der Europäischen Union und des Euro-Raums stehen auf dem Spiel. Das Gefährliche an dieser Krise ist nicht nur die Wucht, mit der sie weltweit zuschlägt, sondern auch, dass ihr Ende nicht abzusehen ist. Deshalb ist es richtig, wenn jetzt alle finanziellen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Wir brauchen koordinierte Hilfs- und Wachstumsprogramme auf allen Ebenen. Diese beispiellose Lage erfordert beispielloses Handeln.

Damit wir möglichst gut und zügig aus dieser Krise kommen, müssen nachfolgende Kriterien besondere Berücksichtigung finden.

1. Den Schwächsten unter die Arme greifen.

Am härtesten trifft die Krise diejenigen, die schon in guten Zeiten nichts an die Seite legen konnten: Menschen mit geringen Einkommen, kleinere Unternehmen, ärmere Staaten. Ohne entsprechende Hilfen wird die Pandemie die bestehenden Ungleichheiten in Deutschland, Europa und der Welt deutlich verschärfen. Im Umkehrschluss haben solche Maßnahmen die größten Effekte zur Stabilisierung der Konjunktur und Ankurbelung der Wirtschaft. Jeder zusätzliche Euro wird nicht gespart, sondern unmittelbar wieder ausgegeben. Geeignete Maßnahmen sind unter anderem:

  • Mindestens für die Dauer der unmittelbaren Krisenauswirkungen eine Anhebung der Grundsicherungsleistungen in Form einer Pauschale von 100 Euro.
  • Besonders Hilfsbedürftige sind Kinder in der Grundsicherung. Es braucht eine zusätzliche Anhebung des Kindergelds oder eine Erhöhung des Bildungs- und Teilhabepakets, die nicht auf die ALGII oder Grundsicherung angerechnet wird.
  • Mit der bereits beschlossenen Grundrente hat die SPD ein gutes Instrument für hilfebedürftige Rentnerinnen und Rentner durchgesetzt, das jetzt auch zwingend zum 1. Januar 2021 wirksam werden muss.
  • Maßnahmen wie etwa das Kurzarbeitergeld müssen so lange wie nötig verlängert werden. Das Kurzarbeitergeld gehört außerdem ab dem ersten Tag der Inanspruchnahme auf 80 bzw. 87 Prozent erhöht – auch um den Konsum und damit insbesondere auch den Einzelhandel und kleinere Geschäfte zu stabilisieren.
  • Gerade die Beschäftigten des Gesundheits- und Pflegebereichs sowie des Einzelhandels, die schon seit Jahren zu niedrig entlohnt werden, erweisen sich als unabdingbar in dieser Krise. Es ist nur fair, sie zusätzlich zu steuerlichen Vergünstigungen und tariflichen Zusatzvereinbarungen mit bundesweit einheitlichen Bonuszahlungen zu unterstützen.
  • Wir müssen dringend erhebliche zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um die Gesundheitssysteme in den Ländern des globalen Südens zu stärken und die wirtschaftlichen und sozialen Schäden abzumildern. Es braucht daher einen – bestenfalls europaweiten – Corona-Solidarfonds für diejenigen Staaten, die unsere Hilfe jetzt am dringlichsten brauchen.In diesem Sinne unterstützen wir zudem Schuldenerlasse und Schuldenerleichterungen für die ärmsten Länder.

2. Mit Konjunktur- und Finanzbeihilfen die Wirtschaft modernisieren.

In der Krise dürfen wir nicht vergessen, welche Herausforderungen auch weiterhin auf uns zukommen. Mehr soziale Gerechtigkeit und mehr Klimaschutz sind Anliegen, die auch nach der Coronakrise auf der Tagesordnung stehen werden. Umso wichtiger ist, dass wir die Finanzmittel zur Bekämpfung der Krise auch an diesen Zielen ausrichten. Wir wollen eine Ausweitung von Beschäftigung, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne, Investitionen in Zukunftsmärkte, eine ökologische Umrüstung der Wirtschaft und eine Ausweitung der Öffentlichen Daseinsvorsorge. Kurz: Es braucht einen Social Green Deal für Deutschland und Europa. Die konjunkturpolitischen Maßnahmen müssen daher eine deutliche soziale und ökologische Stoßrichtung haben. Dazu gehört unter anderem:

  • Gerade in für die gesellschaftliche Entwicklung wichtigen Bereichen ist es denkbar, dass die öffentliche Hand im Gegenzug für aktive staatliche Förderung Unternehmensanteile erhält, um die Umsetzung ökologischer, sozialer und beschäftigungspolitischer Ziele in der Wirtschaft demokratisch zu kontrollieren und angesichts zunehmender globaler Konkurrenz heimische Standorte besser zu schützen. In Unternehmen, die von Staatshilfen profitieren, müssen die ArbeitnehmerInnen unter anderem durch mehr Mitbestimmung strukturell gestärkt werden.
  • Maßnahmen zur Stärkung der Automobilindustrie müssen auch Maßnahmen zum Klimaschutz sein. Dazu gehört die Förderung klimafreundlicher Fahrzeuge, zum Beispiel über ein breites Flottenaustauschprogramm für Handwerker, soziale Dienste und kommunale Fuhrparks. Zugleich brauchen wir Erleichterungen und Investitionen beim Ausbau der Ladeinfrastrukturen, sowohl im privaten als auch im gewerblichen und im öffentlichen Sektor.
  • Konjunkturpolitische Maßnahmen und Investitionen müssen neben der Belebung der Wirtschaft auch auf eine Ausweitung der Öffentlichen Daseinsfürsorge und der öffentlichen Beschäftigung zielen. Wir wollen die Stärkung eines möglichst kostengünstigen öffentlichen Personennahverkehrs und die Ausweitung der öffentlichen Investitionen in den systemrelevanten Bereichen der Daseinsvorsorge wie Pflege und Gesundheit. Neben den dringend gebotenen Investitionen in Infrastruktur und Personal müssen wir auch über die Überführung zumindest von Teilbereichen der Gesundheitsversorgung in die öffentliche Hand diskutieren.
  • Die Städte, Gemeinden und Kreise stellen unsere technische, soziale und kulturelle Infrastruktur bereit; sie tragen Kultur-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen, sichern den öffentliche Gesundheitsdienst und den öffentlichen Personennahverkehr. Damit all das auch in Zukunft möglich bleibt, ist über den weiterhin notwendigen Altschuldenfonds ein kommunaler Rettungsschirm unverzichtbar, denn die Krise trifft alle Kommunen.
  • Auch auf europäischer Ebene müssen weitreichende Investitionen die bisherige Austeritätspolitik ablösen. Entsprechend richtig ist der deutsch-französische Vorstoß für einen europäischen Corona-Fonds. Auch diese Maßnahmen müssen an die sozial-ökologische Modernisierung Europas gekoppelt werden. Ein Wachstums- und Innovationsprogramm für Europa muss die Förderung von Zukunftsmärkten und modernen Industrien, von Forschung und technischer Innovation mit dem ökologischen Umbau der Wirtschaft, der Förderung von Beschäftigung und guten Arbeitsbedingungen, den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge und eine Bekämpfung der europäischen Handels- und Wirtschaftsungleichgewichte zum Ziel haben. Wir wollen aus dem Green Deal einen Social Green Deal machen.

3. Die Kosten der Krise gerecht verteilen.

Zur Finanzierung der Krisenfolgen brauchen wir eine finanzielle Beteiligung der stärksten Schultern der Gesellschaft. Die Krisenkosten dürfen auf keinen Fall auf die große Zahl der ArbeitnehmerInnen umgelegt werden – sei es durch unmittelbare finanzielle Mehrbelastungen oder durch einen Rückbau von Sozialstaatlichkeit.

  • Daher fordern wir eine Abgabe auf besonders hohe Vermögen von über 10 Millionen Euro, eine Anhebung des Spitzensteuersatzes, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine weitergehende Reform der Erbschaftssteuer. Unter diesen Voraussetzungen kann auch über eine Entlastung geringer und mittlerer Einkommen nachgedacht werden, was sich wiederum positiv auf die Binnennachfrage auswirken wird.
  • Zur Finanzierung der Coronabonds und der konjunkturpolitischen Maßnahmen fordern wir eine effiziente und nachhaltig wirksame europäische Transaktionssteuer und regen die Erhebung einer Abgabe auf besonders hohe Vermögen in Form eines europäischen Lastenausgleichs an. Außerdem müssen die restriktiven Fiskal- und Fördervorgaben innerhalb der europäischen Vertragswerke reformiert werden. Jedes Land braucht jetzt Spielraum, um in der Krise gegensteuern zu können.
  • Es muss endlich zu einem Ende des steuer- und sozialpolitischen Dumpingwettbewerbs in Europa kommen. In einem ersten Schritt braucht es eine Harmonisierung der Steuerpolitik, eine europäisch abgestimmte Tarifpolitik und die Einführung eines europäischen Arbeitslosenrückversicherungssystems.