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Rede zu § 219a StGB

Rede von Gülistan Yüksel, MdB zum ZP13 – Antrag FDP „§ 219a StGB unverzüglich streichen – Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zulassen“

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Auf der Besuchertribüne befindet sich immerhin eine Dame: Guten Abend! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Mann, der Dr. Kristina Hänel aus Gießen anzeigte, erzählte in einem Interview mit der „taz“ freimütig – ich zitiere –: Ich überlege mir: Wo würden schwangere Frauen im Internet suchen? Also auf Seiten von Arztpraxen. Ich gucke dann, ob ich auf Seiten stoße, auf denen angegeben ist, dass Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden. Wenn das der Fall ist, dann erstatte ich online Strafanzeige. Diese Kaltherzigkeit halte ich für unerträglich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Alle, die auch nur etwas Empathie haben, müssen darüber empört sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Eine ungewollte Schwangerschaft lässt Frauen verzweifeln und bringt sie in eine sehr belastende Ausnahmesituation. In dieser Ausnahmesituation dürfen wir sie als Gesellschaft und Politik nicht alleine lassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Dr. Hänel hat auf ihrer Internetseite sachlich über die von ihr selbstverständlich legal durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche informiert und ist infolgedessen zu einer Geldstrafe von 6 000 Euro verurteilt worden. Das kann nicht sein. Für uns als Gesetzgeber heißt dies: Wir müssen handeln; denn leider sorgt die gegenwärtige Rechtslage dafür, dass sich viele Ärztinnen und Ärzte unter Druck gesetzt fühlen und nicht offen und sachgemäß informieren dürfen. Wir wollen dies aber ermöglichen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bisher laufen Frauen Gefahr, auf zwielichtigen Webseiten von fundamentalistischen, selbsternannten Lebensschützern zu landen. Statt sachlicher Informationen im Interesse der Frauen steht hier die Missionierung für die eigene rückwärtsgewandte Ideologie im Vordergrund.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

So werden ungewollt schwangere Frauen massiv unter Druck gesetzt. Die Verfechter des § 219a stellen auch in den Raum, man würde mit der Streichung Tür und Tor für reißerische Werbung öffnen. Das ist doch absurd.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wer so etwas unterstellt, hat sich noch nie ernsthaft in die Gefühlswelt einer verunsicherten, ungewollt schwangeren Frau hineinversetzt und meint, dass Frauen nicht selbstständig verantwortlich entscheiden können.

(Beifall bei der SPD)

Frauen müssen die Möglichkeit haben, sich sachlich und offen zu erkundigen; denn durch das bestehende Informationsverbot werden Frauen, die sich ohnehin in einer schwierigen Situation befinden, in weitere Nöte gebracht. Sie erfahren nicht die Unterstützung, die sie brauchen und die ihnen zusteht. Wir müssen deshalb den strafrechtlichen Druck auf Ärztinnen und Ärzte abbauen und so Rechtssicherheit schaffen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jörg Cezanne [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Jahr feiern wir die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren und damit einen großen und wichtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung von Mann und Frau. Zur Gleichberechtigung gehört auch die Selbstbestimmung der Frau. Eine Änderung des Gesetzes ist daher dringend notwendig.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich kurz eine Bemerkung zu dem ganzen Verfahren machen, das hoffentlich bald ein tragfähiges Ende findet: Die Entscheidungsfindung mit unserem Koalitionspartner gestaltete sich leider sehr schwierig. Deshalb hatten wir uns darauf verständigt, dass die Bundesregierung einen Kompromissvorschlag zu § 219a erarbeiten soll. Dieser Vorschlag liegt uns nun seit gestern Abend vor. Wir werden den Gesetzestext kritisch prüfen, beraten und dann unsere Entscheidung treffen. Für uns stehen die Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte und Informationsmöglichkeiten für ungewollt schwangere Frauen im Mittelpunkt. Ich appelliere an unseren Koalitionspartner, sich hierzu Gedanken zu machen und die Entscheidung im nächsten Januar freizugeben.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Blockadehaltung hilft keiner einzigen Frau und auch nicht den Ärztinnen und Ärzten.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.

Gülistan Yüksel (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde es begrüßen, wenn wir bei diesem sehr emotionalen Thema im Sinne der Ärztinnen und Ärzte und der betroffenen Frauen eine große Mehrheit hier im Parlament finden würden. Jetzt aber wünsche ich Ihnen allen erholsame Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)