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Laudatio für Serdar Somuncu

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Am Anfang seiner Arbeit als Schauspieler spielte er nur die stereotypischen „Türken-Rollen“ – meist Kleingangsterrollen. Er musste mit Akzent sprechen, sich einen Bart ankleben, bunte Anzüge und Goldkettchen tragen. All das, was er selbst nur aus dem Fernsehen als Klischeebilder eines Türken kannte. Diese Rollen beschreibt er heute als „die größte Demütigung, auf die man sich einlassen kann“. Damals hat er sich irgendwann entschieden, radikal alle Türken-Rollen abzulehnen.

Die Konsequenz: er wurde nicht mehr als Schauspieler engagiert. Bis ihm schließlich doch die Rollen angeboten wurden, in denen er nicht mehr nur ein überholtes Klischee reproduzieren musste, sondern endlich gleichberechtigt deutsche Rollen spielen konnte. Statt Stereotypen bestätigen zu müssen, macht er nun das Gegenteil: er baut Vorurteile ab – indem er sie knallhart zur Schau darstellt -auf der Bühne, wie im öffentlichen Leben.

Sehr geehrte Frau Staatsministerin Özoğuz, liebe Aydan,
Sehr geehrter Herr Präsident der TD-Plattform Aver, lieber Caner,
Sehr geehrter Herr Kemal Şahin,
Liebe Frau Dunja Hayali, auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch. Sie haben den Preis verdient. Ich wünsche Ihnen für Ihr Engagement weiterhin viel Kraft.
Lieber Serdar Somuncu, heute bin ich wegen Ihnen hier. Ich freue mich sehr, die Laudatio für Sie, heute halten zu dürfen. Wir sind uns bis heute zwar nicht begegnet und kennen uns nicht. Ich habe aber festgestellt: Wir haben eine gemeinsame Leidenschaft:

Nämlich Fußball!

Wir unterstützen beide unsere Fohlen vom Niederrhein. Wir waren beide beim Spiel gegen 1.FC Köln dabei. Ich als Zuschauerin und sie bei SPORT1.fm als Co-Reporter im Borussia Stadion.

Als Vorsitzende der Fohlen des Bundestages freue ich mich natürlich umso mehr, dass sie als Kölner ein Borussia Mönchengladbach Fan sind.

1968 in Istanbul geboren, kam Serdar Somuncu im Alter von zwei Jahren nach Deutschland. Seine türkische Herkunft beschreibt er als Fixpunkt, von der aus es viele Entwicklungsrichtungen gebe.

Manchmal sei er sehr „holländisch“ – hat er doch neben Wuppertal auch in Maastricht Musik, Schauspielkunst und Regie studiert und lange in den Niederlanden gelebt.

Manchmal sei er sehr „deutsch“: Er trat als Schauspieler auf deutschen Opern- und Theaterbühnen auf und spielte in verschiedenen Fernsehserien: etwa der ältesten deutschen (typisch deutschen?) Soap, der „Lindenstraße“. Künstlerisch sieht er sich irgendwo zwischen Schauspieler und Musiker. Mit konkreten Definitionen tut Serdar Somuncu sich schwer. Er definiert sich lieber über das Ganze und überlässt es den Zuschauerinnen und Zuschauern, ihn einzuordnen.

Bis 2002 hatte Serdar Somuncu auch die türkische Staatsbürgerschaft. Seitdem entzieht er sich der Statistik als Ausländer und ist– nach eigenen Angaben – „echt deutsch“: – Mit solchen Pointen hinterfragt Serdar Somuncu vereinfachte Vorstellungen vom Deutsch-Sein und Türkisch-Sein. Er weiß um die Vielschichtigkeit und Komplexität der Identitäten.

Damit macht er auf markante, aber witzige Art deutlich, dass unsere Identität nicht nur türkisch oder deutsch ist, sondern sowohl türkisch als auch deutsch, dass wir ein Teil dieser Gesellschaft sind. Jenseits der Bühne und des Pointen-Zwangs fällt es ihm daher schwerer, seine Identität zu beschreiben.

Einige kennen ihn als einen leidenschaftlichen Provokateur, der sein Publikum gerne anbrüllt. Andere sehen in ihm einen Regisseur, der an zahlreichen Bühnen Regie führte. Als Musiker hat er 2011 sein erstes Musikalbum veröffentlicht.

Bekanntheit erlangte er als Satiriker, der ausgewählte Textstellen aus Hitlers Buch „Mein Kampf“ las. Viele bewundern ihn als Kämpfer für die Kunst- und Meinungsfreiheit, weil er diese Lesungen trotz Drohungen unter Polizeischutz und mit kugelsicherer Weste fortsetzte.

Als Kabarettist tritt er in ausverkauften Hallen und seit 2014 auch in der ZDF-Satiresendung „heute-show“ auf. Als Moderator startete er Ende letzten Jahres seine TV-Talk-Show „So! Muncu“ auf n-tv. Für seine Arbeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen – darunter den Prix Pantheon 2004 und den Comedy Award in Gold 2016.

Auch heute ist Serdar Somuncu vor allem eines: Preisträger.

Die Türkisch-Deutsche Studierenden und Akademiker Plattform verleiht Ihnen, lieber Serdar Somuncu, den diesjährigen PLATTINO-Preis, der an Persönlichkeiten geht, die sich in herausragender Weise für die deutsch-türkischen Beziehungen einsetzen und damit einen wesentlichen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis und der Integration in Deutschland leisten.

Die Jury würdigt Ihre „kritischen und satirischen Beiträge“, mit denen Sie Ursprünge des Rassismus erforschen und die gefährliche Ideologie der Rechtsradikalen intelligent und spitz entlarven. Sie begeistern, erheitern und regen zum Nachdenken an. Nicht immer weiß man, was Sie ernst meinen oder was den Zuschauer nur aus der Reserve locken soll – fest steht aber, dass Sie dadurch immer wieder neue Facetten des Publikums zutage fördern. Die Jury findet das einmalig und verleiht Ihnen deshalb den diesjährigen PLATTINO-Preis.

Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zu diesem Preis und freue mich, wenn Sie uns und ihr Publikum weiterhin zum Grübeln, Diskutieren, aber vor allem auch Lachen bringen.

Denn was schweißt uns mehr zusammen als eine gehörige Portion Witz und Humor.

Herzlichen Glückwunsch!

 

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