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Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Bundesweit werden jährlich circa 12 000 bis 13 000 Anzeigen wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung erstattet. Trotz der erschreckenden Höhe sind dies allerdings nur Fälle, die zu einer Anzeige führen. Tatsächlich wird jede dritte Frau in Deutschland einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt. Mehr als die Hälfte aller Frauen hat schon einmal eine sexuelle Belästigung erfahren. – Dies sind erschreckende Zahlen. Sie stammen zum einen aus den Ergebnissen einer europaweiten Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und zum anderen aus den Auswertungen des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“. Besonders verheerend ist: Hinzu kommt noch eine große Dunkelziffer; denn viele Frauen schämen sich, auszusprechen, was ihnen widerfahren ist.

Es ist die Aufgabe eines Staates, seine Bürgerinnen und Bürger vor Gewalt zu schützen. Ein starkes Hilfesystem ist elementar, um schutzbedürftigen Frauen und – ganz wichtig – auch deren Kindern Halt und Schutz zu bieten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Hilfesystem funktioniert dann am besten, wenn sich die Akteure keine Gedanken über eine sichere Finanzierung machen müssen. Eine einheitliche Finanzierung für Frauenhäuser ist deshalb mehr als wünschenswert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das sehen wir auch in der SPD-Fraktion so. Wir wollen, dass Hilfsangebote wie Beratungsstellen ausgebaut und Frauenhäuser bedarfsgerecht und bundeseinheitlich finanziert werden. Eine Tagessatzfinanzierung ist keine gute und dauerhafte Lösung.

(Beifall bei der SPD)

Es hat aber nichts mit dem Hin- und Hergeschiebe von Verantwortung zu tun, wenn ich auf Folgendes hinweise: Die Hauptverantwortung für die Finanzierung des Frauenunterstützungssystems liegt bei den Ländern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Diese Aufteilung ist in unserem föderalen System so vorgesehen. Diese Länderverantwortlichkeit hat auch Vorteile; denn lokale Akteure sind näher an den Menschen und ihren Problemen. Sie können somit eine bedarfsgerechte Infrastruktur vor Ort gewährleisten. Die Länder selbst bestehen auch auf dieser Verantwortlichkeit; das sollten wir berücksichtigen. Eine wirkliche Änderung der momentanen Finanzierungssituation lässt sich deswegen nur gemeinsam verwirklichen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist deshalb gut und wichtig, dass die Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz der Länder letztes Jahr ein länderoffenes Arbeitsgremium zum Thema „Betreuung und Beratung für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder“ eingesetzt hat. Auch der Bund ist durch das Familienministerium an dieser Arbeitsgruppe beteiligt. Berichte aus der aktuellen Arbeit des Gremiums lassen erkennen, wie schwierig es ist, eine tragfähige Einigung unter den Ländern zu erreichen. Einige Länder befürchten, dass eine bundeseinheitliche Regelung eine Absenkung von Standards mit sich bringen würde.

Die Forderung nach einem gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf sofortigen Schutz und umfassende Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder klingt zuerst nach einer guten Lösung, findet aber bei den Ländern keine Mehrheit. Wie Sie selbst von Sachverständigen und aus Expertengesprächen wissen, ist ein Rechtsanspruch mit vielen Schwierigkeiten und neuen Hürden verbunden.

Wir sollten die Realität nicht aus den Augen verlieren: Gewalt findet in der Regel im Verborgenen zwischen zwei Menschen statt. Die meisten Frauen flüchten in ein Frauenhaus, ohne sich die erlittene Gewalt vorher vom Arzt oder der Polizei attestieren zu lassen. Ein Rechtsanspruch bedeutet aber in der Regel, dass die betroffene Frau einen notwendigen Nachweis erbringen muss.

Was passiert mit der Frau, die keine objektiven Beweismittel vorlegen kann? Wird ihr dann der Platz im Frauenhaus verweigert? Frauenhäuser weisen deshalb zu Recht darauf hin, dass ein Rechtsanspruch eine neue Aufnahmehürde bedeuten kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der sich auch der Bund beteiligt und weiter verstärkt beteiligen muss. Wir haben in Deutschland ein gutes Netz an Einrichtungen und Unterstützungsangeboten, die Hilfestellungen bieten. Gewaltbetroffene Frauen können in unserem Land regelmäßig und bundesweit Beratung und Unterstützung sowie Schutz finden. Aber auch kleine Lücken im Hilfesystem sind unbedingt ernst zu nehmen.

Wir haben in der Koalition vereinbart, ressortübergreifend Maßnahmen zu bündeln und Lücken im Hilfesystem zu schließen. Studentinnen, Auszubildende, Frauen mit Migrationshintergrund und auch Flüchtlingsfrauen haben mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen. Ich möchte hier unterstreichen: Im Sinne aller schutzsuchenden Frauen muss eine sichere Finanzierung des Frauenhauses gewährleistet sein, unabhängig von Einkommen, Aufenthaltsstatus oder Herkunftsort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir arbeiten an der Schließung dieser Finanzierungslücken in unseren Sozialgesetzen. Das Familienressort ist mit dem hierfür federführenden Arbeits- und Sozialministerium im Gespräch.

Im Rahmen der länderübergreifenden Arbeitsgruppe führt der Bund 2016 ein Modellprojekt durch. Darin wird untersucht, wie eine bedarfsgerechte Ausstattung in einzelnen Regionen bezüglich Schutz und Beratung aussehen könnte. Aus den hier gewonnenen Erkenntnissen werden konkrete Vorschläge erarbeitet, die der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz als Beratungs- und Beschlussgrundlage dienen soll.

Außerdem gehen wir die Reform des Sexualstrafrechts an. Ich freue mich, dass der Referentenentwurf unseres Ministers Heiko Maas zur Schließung von Schutzlücken in der Strafbarkeit der Vergewaltigung nun auch das Nadelöhr Kanzleramt passiert hat und sich in der Anhörung befindet.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Gewalt gegen Frauen muss öffentlich gemacht werden und darf kein Tabuthema sein. Gewalt widerfährt den Betroffenen jeden Alters und über alle sozialen Grenzen hinweg. Wir wissen: Dies ist beileibe kein Randthema, sondern ein Thema aus der Mitte der Gesellschaft. Es ist die Aufgabe von Staat und Gesellschaft, dies zu thematisieren. Wir müssen den Frauen zur Seite stehen. Wir müssen gemeinsam auf das Thema aufmerksam machen und gemeinsam weiter nach sinnvollen und praktikablen Lösungen in unserem Hilfesystem suchen.

Gewalt, in welcher Form auch immer, darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)